«Blut klebt an den Benin-Bronzen»

Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, Fotografin Claudia Ombrocki
Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, Fotografin Claudia Ombrocki

Brigitta Hauser-Schäublin macht sich in ihrem Artikel "Benin Bronzen: Schweizer Museen hofieren die Nachfahren der Sklavenhändler und ignorieren das Blut, das an den Kunstschätzen klebt" (NZZ vom 12.5.2023) zur Anwältin der britischen Kolonialmacht und verdreht die Geschichte des Königreichs Benin wie des Staates Nigeria in einer Weise, die der Berichtigung bedarf. Die Bronzen sollen insgesamt religiöse Funktion gehabt haben und daher mit dem Blut von Tier- und Menschenopfern besprenkelt worden sein.

Schon 1670 hatte der niederländische Geograf Olfert Dappert die Grösse und Schönheit von Benin City gerühmt. Dabei gibt er einen ersten Hinweis auf die Bedeutung der Bronzeplatten:

 

«(Benin) ist wohl so gross wie die Stadt Harlem…Es ist in viele prächtige Wohnungen eingeteilt und hat schöne, lange, viereckige Lustgänge, die ungefähr so gross sind als die Börse zu Amsterdam, doch einer ist grösser als der andere. Das Dach derselben steht auf hölzernen Säulen, welche von unten bis nach oben zu mit Messingplatten überzogen waren, worauf ihre Kriegstaten und Feldschlachten abgebildet sind.»[1]

 

1897 marschierten britische Truppen unter dem fadenscheinigen Vorwand einer Strafexpedition in Benin City ein, massakrierten die Bevölkerung und machten die Stadt dem Erdboden gleich. Die Beute bestand aus einer Vielzahl von Elfenbeinschnitzereien und Bronzen. Um die Greueltat zu rechtfertigen verfasste Sir Reginald Bacon, ein Geheimdienstoffizier, der am Gemetzel teilnahm, die Schrift «Benin, the City of Blood», die der Autorin des NZZ-Beitrags als Quelle gedient haben dürfte. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Lehrstück kolonialistischer Propaganda. Bacon schildert die Grausamkeit der Bini in drastischen Farben, stellt den Wert der Kriegsbeute heraus und suggeriert zugleich, dass die Kunstwerke nicht von den Bini, sondern von Ägyptern oder Chinesen gefertigt worden seien – also in Benin durchaus am falschen Ort waren. Bacon zeichnet ein schauriges Bild:

«Der Weg nach Benin wird von verstümmelten Leichen gesäumt. Gekreuzigte röcheln von Holzgestellen herab. Die Wiesen sind blutige Sümpfe. «Überall war Blut auf der Bronze.»[2]

 

Schliesslich ist auch Hauser-Schäublins Statement zu hinterfragen, dass heute der nigerianische Staat und nicht der König von Benin rechtmässiger Besitzer und Verhandlungspartner sei. Wie die Autorin richtig sieht, wird Nigeria seit der Unabhängigkeit von Terror und Bürgerkriegen erschüttert. Dabei verschweigt sie, dass dies an der Absurdität dieses von den Briten geschaffenen Staatsgebildes liegt. Die Herrscher des Kalifats von Sokoto im Norden, die Königreiche der Bini und der Yoruba im Süden und die vielen weiteren Territorien dachten nie daran, sich zu einem Staat zu verbinden. Überhaupt war ihnen die Idee eines Staates europäischen Zuschnitts fremd. Die Frage ist also weniger, ob der derzeitige König von Benin rechtmässiger Besitzer der Kunstwerke ist. Die Frage ist eher, ob sein Palast wieder aufgebaut werden sollte, dass die Bronzen an ihren angestammten Platz (statt europäisch gestylte Museen) zurückfinden können.



[1] Verstummte Seelen, Von Ins 2020:177

[2] Ebd. S. 185

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