Ich habe mir die Tage Gedanken gemacht über das Schicksal, weil ich Montag Mittag zu diesem Thema bei Radio SRF1 zu Gast bin.
Sandra Schiess im Gespräch mit Jürg von Ins
Radio SRF 1, Gast am Mittag
Montag, 10. Juni 2019
13.00-13.30
Das Schicksal war früher eine Gottheit. Die alten Griechen kannten sogar vier verschiedene Schicksalsgottheiten. In Judentum, Christentum und Islam trat die göttliche Vorsehung an ihre Stelle. Diese Idee birgt enorme Gefahren. Da verheisst Gott einer Gruppe ein Land, das bereits andere Menschen bewohnen. Oder was bei den ersten Siedlern in an der Ostküste der USA Manifest Destiny hiess, offenkundiges Schicksal: den Westen zu erobern. Das Ölgemälde «American Progress» (1872) von John Gast zeigt die siegreiche Columbia, knapp bekleidet, mit einem Telegrafendraht in der linken und der Bibel in der Rechten, wilde Tiere und Indianer vor sich hertreibend und Richtung Westen stürmend. Hinter ihr dampft die erste Lokomotive an. Manifest Destiny der USA war später die Rolle als Weltpolizei. Und schliesslich stürmten die USA im selben Geist die Vorderseite des Mondes: von Gott dazu ausersehen.
Heute spielt der technische Fortschritt Schicksal: Globalisierung und Digitalisierung sind quasi naturgegeben, G5 kommt, Organhandel wächst, man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, höre ich sagen – Schicksal. Ich schlage ‘Organnotstand’ als Wort des Jahres vor. Welch schäbige Propaganda! Die Menschen sterben doch nicht am Mangel an Organen, sondern an ihren Krankheiten. Ich will mich diesem Fortschrittsschicksal entziehen um in Ruhe über diese Dinge Zwiesprache mit der Seele zu halten. Wir leben in einer direkten Demokratie und nichts passiert einfach so, weil es z.B. der Fortschritt, das heisst eine technokratische Lobby will. Wir machen die Welt selbst und haben sie auch zu verantworten. Rad der Zeit? Metaphern sind das ÖV der Lüge, sagt Nietzsche.
Prädestination? «Dominus providebit» (Gott wird vorsorgen)! Die Devise auf dem Rand des Fünflibers beweist, dass die Idee der göttlichen Vorbestimmung, der Prädestination, auch in der Schweiz noch aktuell ist. Wofür genau wird der Herr vorsorgen? Dass der Fünfliber schön bei mir bleibt? Cool. Immerhin unsere protzigste Münze.
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